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Dem Belzebub auf´s Dach gestiegen

Dem Belzebub auf´s Dach gestiegen!

oder: ...... Von einem Bären zum ander´n!

Rumänien / April 2001


Wenn zwei Brandenburger durch den Osten der rumänischen Bergwelt geistern

Der Belzebub, so wissen wir, hat sein Domizil unter der Erde. Alle Spekulationen über die angeblich furchtbaren Sachen, die er da unten mit den verirrten Seelen anstellt, bleiben natürlich auch nach diesem Bericht bestehen. Trotzdem, die Region zu besuchen, in der der Belzebub sein "Heimchen" hat, lockte da zwei Wanderer aus dem Brandenburger Land in den Osten Rumäniens.

Was lockte sie wohl? Waren es die geologischen Besonderheiten dieser Karpatenregionen um Buzáu und Vrancea mit ihren Schlammvulkanen (Vulcanii Noroiosi), den Felsabbrüchen, Schluchten und Höhlen im Salzgestein zwischen Mânzálesti - Meledic - Lopátari, oder etwa die immer brennenden Feuer "Focul Viu", welche nahe Lopátari auf einer Bergwiese aus kleinen Erdlöchern hervorlodern? Oder lockten etwa die unendlich weit ausladenden und tief verschachtelten Wälder des Vrancea-Gebirges mit ihren "teuflisch" hohen Bärenbeständen? Bereichernd kam sicher noch hinzu, dass das Vrancea-Gebirge die erdbebengefährdetste Zone von ganz Rumänien ist. Klar auch, das Grummeln und Donnern - wohl herrührend saisonaler Massenfolter der armen verirrten und noch im Körper gefangenen Seelen, muss sich ja irgendwie entladen.

Der aufgeklärte Leser fragt sich da schon: gibt´s denn das, den Belzebub? Im Grunde ist es nicht wichtig, ob oder ob nicht. Auch Graf Dracula hat es nie in der Gestalt gegeben, wie er für die Reisenden von heute von "Lebendigkeit" ist. Tatsache aber bleibt dabei das nahezu "angewachsene" Kribbeln im Hirn und das eine Region ohne ihre Legenden doch sonst immer als etwas anderes empfunden werden würde :-) !

Natürlich ist das mit dem Belzebub keine Legende. Aber wer weiss, vielleicht wird sie ja mal eine. In diesem Bericht jedenfalls wird nun gelegentlich gesponnen was das Zeug hält und irgendwann, wenn andere nur oft genug die "Lügen" vor dem Wahren hören, dann wird auch dieser Stoff hier zur Legende!


Die Anreise

02.04.2001 (Montag)

10:30 Uhr traf ich mit dem Mario (www.rumaene.de ) aus Leegebruch auf dem Bahnhof in Berlin-Schönefeld zusammen. Wir sind gleich rüber zum Flughafen, weil Mario noch seine Tickets beim dortigen TAROM-Schalter abholen musste. Klappte alles prima und so hatten wir vor unserem Abflug um 11:55 Uhr noch etwas Zeit auf ein Bierchen.

Als wir auf dem Rollfeld den Zubringerbus verliessen, bekamen wir erst einmal einen kleinen Lachanfall, denn wir flogen mit einer der etwas kleineren Propellermaschinen französischer Bauart. Nur einige Stufen waren nötig zur Besteigung des Flugzeugs. Wir starteten bei strahlendblauem Himmel und überflogen etwa 3 Stunden später die Karpaten. Die Gipfel und Kammverläufe waren noch allesamt weiss in Schnee gehüllt. Dann die unverkennbaren Gebirgszüge der Piatra Craiului, Iezer-Pápusa mit seinem prägnanten übergehenden Kamm hinüber ins Fágáras-Gebirge. Einfach wunderschön. Wir landeten pünktlich kurz nach 16:00 Uhr in Bucuresti. Geldtausch und Passkontrolle verliefen reibungslos und diesmal war auch unser Gepäck vollständig angekommen. Vor dem Flughafengebäude hatte uns schon unser lieber Freund Volker mit dem Auto erwartet. Diesen Tag verbrachten wir dann in Bucuresti. Am Abend gingen wir mit Volker, seiner lieben Frau und noch einer jungen Dame von hiesigen Verband der Höhlenforscher, in die "Deutsche Kneipe". Die Stimmung an diesem Abend war ausgezeichnet.

 

03.04.2001 (Dienstag)

Wir sind zeitig aufgestanden. 7:30 Uhr Frühstück. Dann die grosse Überraschung, Volker hatte sogar noch eine Wanderkarte vom Vrancea-Gebirge aus der Reihe Muntii Nostri, die er uns mit auf den Weg gab. Die sollte uns noch von grossem Nutzen sein. Auf dem Bahnhof verabschiedeten wir uns und nach dem Kauf der Fahrkarten hatten wir noch Zeit auf einen Kaffee. Auf dem Bahnsteig deckten wir uns mit einigen Büchsen "Bere Ursus" (Bären-Bier) ein und somit begann unsere Reise ganz nach dem Motto: "von einem Bären zum anderen". Vorerst aber blieben diese noch flüssig :-) !

9:47 Uhr Abfahrt von Bucuresti und 11:47 Uhr pünktlich Ankunft in Buzáu. Zunächst gaben wir unser Gepäck am Bahnhof auf und dann suchten wir uns ein Taxi um möglichst schnell zum grossen Markt zu gelangen. Es galt noch Besorgungen zu machen: Brot, Speck, Konserven, Knoblauch, Zwiebeln. Wir waren doch sehr erstaunt über die üppigen Angebote von frischen Bananen, Apfelsinen und auch frischen Tomaten. All diese Waren wurden zumeist aus der Türkei importiert. Unser Taxifahrer, ein älterer Herr, war sehr zuvorkommend. Für die Fahrt in die Stadt und anschliessend rüber zu den Schlammvulkanen über Berca, hatten wir zuvor einen Preis von 200.000 Lei ausgehandelt.

Mitten in der kleinen Stadt Berca, dann der Abzweig hinauf ins bergige Karpatenvorland. Wenig später fuhren wir durch ein karges Land, gezeichnet von sehr mageren Böden und sicher auch von längeren Trockenperioden. Die Stimmung ist fast unheimlich. Seit meinem letzten Besuch im Herbst des Jahres 1997 fiel mir sofort auf, dass man die hiesige Förderung von Erdöl sehr intensiviert hat. Die Förderanlagen waren zumeist in einen noch ungewöhnlich guten Zustand.

Dann endlich der entscheidende Pass auf der schwierigen ansteigenden Schotterstrasse und die Abfahrt hinunter in Richtung Policiori. Der kleine Ort gehört zur Comuna Scortoasa. Wie weit würde unser Fahrer den schlechten Weg noch nehmen? Den Ort Policiori liessen wir links liegen. Nach der kleinen Brücke nahmen wir die unbefestigte Strasse (Piste) rechts leicht aufsteigend, erneut vorbei an einigen Bohrtürmen und Förderanlagen. Wenig später dann der rechts verlaufende grau-schlammige Bach, welcher von dem grössten Areal der Schlammvulkane herunterkommt. Wir biegen von unserem Weg rechts ab über eine marode Brücke, wonach die schlechte Piste noch ein letztes mal steil ansteigt. Wenig später hatte uns der freundliche Taxifahrer direkt an unserem Zielpunkt abgesetzt. Wir wollten dem Fahrer für seine grosse Mühe etwas mehr Geld geben. Er lehnte strikt ab und verabschiedete sich freundlich von uns.

An einer schönen Stelle, von der aus wir das grosse Areal der Schlammvulkane gut übersehen konnten, planten wir unsere Zelte zu errichten. Zwei junge Herren machten hier gerade Rast und wir kamen sogleich ins Gespräch miteinander. Der Fabien, Franzose, reiste allein durch´s Land und traf hier zufällig auf den einheimischen Pascu Dorin. Dorin hatte dem Fabien angeboten, ihn zu den Schlammvulkanen zu begleiten. So ergab es sich spontan, dass die "Reisegruppe" nun auf vier Personen anwuchs. Schnell errichteten wir unsere Zelte und nach einer gemeinsamen Kaffeepause gingen wir auf Tour.


Belzebubs Klärbecken

Warum wohl presst der Bezebub hier seinen Abfall an die Erdoberfläche? Eine grosse wissenschaftliche Frage! Aber sie ist schnell zu beantworten. Des Belzebubs Fäkalien und weitere restliche Zersetzungsmaterialien der stattfindenden Marter bekommen im anschliessenden Gemisch eine zähflüssige Konsistenz. Das Material neigt dazu, in seinem Fluss wunderschöne Formen zu entwickeln, wodurch wiederum Gefahr bestünde, dass die für die Qualen vorgesehenen Kreaturen doch noch einige Freuden und Begeisterungen empfinden könnten. Deshalb also ist dem Belzebub daran gelegen, all diese freudauslösenden Elemente aus seinen unterirdischen Kammern hinauszupressen. Und genau das tut er hier.

 

In ganz seltenen Fällen versucht ein bereits gefangener Sünder eine Flucht durch die Schlammkanäle nach draussen. Dieses bedeutende fotografische Dokument belegt aber die Hoffnungslosigkeit dieses Unterfangens:

"Die Kleider sind hinaus, aber der Leib der bleibt zuhaus!"


Es ist noch immer Dienstag, der Nachmittag hatte seine "mittlere Reife" bei bestem Fotowetter erlangt. Mit Dorin plauderten wir beim Kaffe zuvor ein wenig über die zwei Areale, die ja nicht all zu weit auseinanderliegen. In der Literatur findet man ja gelegentlich verschiedene Darlegungen, welches Areal denn nun das grössere sei. Dies sei, so Dorin, jenes an dem wir die Zelte aufgeschlagen hätten. Das Areal "Vulcanii Noroiosi Pâclele Mari", welches an der unbefestigten Strasse liegt, die weiter nach Beciu führt, hat eine Ausdehnung von 15,2 ha. Das mit 10,2 ha etwas kleinere Areal "Vulcanii Noroiosi Pâclele Mici" liegt auf der anderen Seite des Tales, aus dem wir gekommen sind. Etwa an der Stelle wo man von Berca kommend, den kleinen Ort Policiori links liegen lassend, auf den schlammigen Bach stösst, zweigt eine aufsteigende unbefestigte Strasse nach links hinauf. Diese macht einen leichten Bogen und führt weiter oben über ein kleines Rinnsal hinweg. Hier dem Bach entlang, ist der kürzeste Weg hinauf zu dem etwas kleineren, jedoch noch imposanteren Areal "Vulcanii Noroiosi Pâclele Mici".

Es gibt noch eine dritte Zone mit Schlammvulkanen, so klärte uns Dorin auf. Diese wäre noch kleiner und befände sich hinter Beciu, die Strasse hinauf, die über einen Pass nach Arbánasi führt. Eine ausserordentlich frohe Kunde, denn genau auf diesen Weg wollten wir am nächsten Tag ja eh nach Márgáriti hinüberwandern.

Nun ging es aber endlich los. Wir entschieden uns zuerst, zu den "Vulcanii Noroiosi Pâclele Mici" hinüber zu wandern. Also nahmen wir sogleich den kürzesten Weg und stiegen links des Areals, einen tief eingeschnittenen Schlammlauf folgend, ins Tal hinab. Dann der bereits beschriebene Aufstieg. Wir stiegen die Wiese rechts neben dem Bachlauf empor, was etwas unbeschwerlicher war. Dann eröffnete sich die Sicht über dieses wunderschöne baumlose Plateau, bestehend aus vielen schön ausgeformten Schlammkegeln, die mitunter bis zu einige Meter hoch waren. Die Aktivitäten schienen hier an dem etwas kleineren Areal aktiver zu sein. Nun hiess es: Fotos, Fotos und nochmals Fotos!

Nach 1 1/2 Stunden genüsslicher Recherchen, traten wir den Rückweg zu unseren Zelten an. Die Sonne hatte bereits einen tiefen Stand. Als wir dann bei unseren Zelten angekommen waren, hiess es: Filme wechseln und das wunderschöne rötliche Abendlicht bis zum Sonnenuntergang genutzt. Oh was stapften wir durch den Schlamm, warteten gebannt an den Kratern darauf, dass die nächste Schlammblase hervorblubbert. Hier noch ein Foto, da noch ein Foto. Da schon gewesen? Na lieber noch ein Foto und was ist das nur für ein Anblick beim letzten Licht vor dem Sonnenuntergang. Alles schaute so bezaubernd aus, als würde es von den lodernden Feuern des Belzebubs angestrahlt. Das bedeutete für uns nochmals viele Fotos zu machen. Harte Arbeit also für diese hoch wissenschaftliche Mission :-).

Mit dem letzten Tageslicht wurde gekocht, während Fabien ein wenig Holz für ein Lagerfeuer sammelte. Bis tief in die Nacht hinein haben wir noch geplaudert.

Als ich mich dann im Schlafsack so richtig eingemummelt hatte, da ging mir noch einmal die ganze Stimmung dieser eigenartigen Region durch den Kopf. Und plötzlich erinnerte ich mich an die Erzählungen eines guten Freundes, was ihm hier einst an diesem Ort so widerfahren ist:

Die ungeheuren Erlebnisse eines Berliner Rumänien-Freundes bei Vulcanii Noroiosi:

1999, 04. August. Rumänien, Judetul Buzau, Piclele Mari. Später Nachmittag.
Die Lufttemperatur beträgt inzwischen wieder 35 Grad, die letzten Stunden
waren unerträglich. Gegen 16 Uhr, anläßlich einer Begehung des großen Feldes
der immer noch aktiven Schlammvulkane und beim kartografischem Vermessen der
Trichterbreite eines großen Vulkankegels bricht plötzlich der Kraterrand
unter der Last meiner Anwesenheit zusammen. Ganze Körperteile werden
mitgerissen, doch mit letzter Kraft bekomme ich den schmierigen Kraterrand zu
fassen. Absurde Abschnitte meines Lebens ziehen in Sekundenbruchteilen an mir
vorüber. Ich kann mich nur unter größten Anstrengungen aus der honigzähen,
überraschend kühlen Schlammschicht befreien und ans Tageslicht ziehen. Eine
Sandale verschwindet vorübergehend im Innern des Kraters. Die nächsten
Stunden bin ich mit mir und den an mir klebenden Schlammassen beschäftigt.
Meine Frau hilft mir beim Freilegen der Gliedmaßen. Nur zwei Liter Wasser
stehen uns dafür zur Verfügung. Erstaunliches Ergebnis nach einer Stunde:
Eineinhalb Liter Wasser genügen, wenn man eine rumänische Coca-Cola-Flasche
benutzt, indem man in den Deckel ein feines Loch bohrt. Weitere Hilfe und
weiteres Wasser ist nicht in Sicht.
Ein langer Stock hilft mir beim Auffinden der Sandale. Dank meiner Ausdauer
muß der Vulkan sie wieder freigeben. Rachegefühle kämpfen tief in meinem
Innern. Der inzwischen vorangeschrittene Nachmittag läßt sich nur auf meiner
Uhr ablesen, die Hitze bleibt erdrückend.

Wieder zurück an den Ort des Schreckens, der Kraterrand wirkt wieder wie
unberührt. Mittlere Vulkanaktivitäten können beobachtet werden. Gegen 19.30
Uhr knallt es in die echofreie Stille hinein. Ich habe eine Flasche "Cotnari"
entkorkt, um gemeinsam mit meiner Fau auf das Leben anzustoßen.
In der Ferne steht, gleich einer Fata Morgana, unser Ford Transit. Plötzlich
und gefährlich dicht neben dem Fahrzeug flackert ein Feuerschein auf. In
gebotener Eile laufen wir auf die Flammen zu. Das Feuer wird kleiner, als wir
es endlich erreichen, erlischt gerade die letzte züngelnde Flamme. Zurück
bleibt zu unserem Erstaunen ein glühendes Wattebausch im Sand liegen. Es hat
die Größe eines Tennisballs. Weit und breit kein Mensch, kein Tier, nichts.
Vom verglühendem Wattebausch zieht sich, schnurgerade und wie von Geisterhand
gezogen, eine in den trockenen Sand geritzte Linie in Richtung Vulkan. Nach
etwa zehn Metern bricht sie genauso unvermittelt ab, wie sie begann. Unsere
eigenen Fußspuren vom Nachmittag liegen unberührt unter dieser geritzten
absolut geraden Linie. Im Umkreis von hundert Metern ist nach gezielter Suche
kein Lebewesen aufzuspüren. Wir stehen wie versteinert am Ort. Die Dämmerung
beginnt über uns hereinzubrechen. In dieser Vollmondnacht schlafen wir sehr
unruhig, und verlassen früh am Morgen sprachlos den Ort des Geschehens.

 

04.04.2001 (Mittwoch)

Kurz nach 8 Uhr hat uns die Sonne aus die Schlafsäcke getrieben. Noch vor dem Frühstück wurde der tiefe Stand der Sonne für weitere Foto-Aufnahmen der Schlammvulkane genutzt. Gegen 11:00 Uhr hatten wir dann gepackt, verabschiedeten uns von Fabien, der nach Berca abstieg und wanderten rüber nach Beciu. Mitten auf der Strecke kam Dorin mit dem Fahrrad hinterhergefahren. Er hatte noch einige Informationen (Unterkunftstipps) für uns, die wir gerne an andere Interessierte weitergeben werden. Gleich am Ortseingang bei Beciu befindet sich ein Magazin Mixt. Die Sonne brannte und so plauderten wir an diesem willkommenen Ort noch ein wenig mit Dorin. Auch eine Gruppe Arbeiter von den Ölförderstationen machten hier gerade Rast. Unsere Anwesenheit löste natürlich auch eine gewisse Neugierde aus. Nach einigen Gruppenfotos war es dann aber Zeit zum Weitermarsch. Die nächste Strasse im Ort, die da rechts abzweigte und auch gleich wieder bergauf führte, war jene, hinüber nach Arbánasi. Bereits an den letzten Häusern im Dorf fiel uns der schlammige Bach rechts der Strasse auf. Das dritte Areal der Schlammvulkane war somit wohl kaum zu übersehen. Also weiter hinauf und dann auf halber Höhe vor dem Pass sahen wir schon die helle Erde der Schlammvulkane dort. Also dann, Rucksäcke runter und Kamera heraus. Genau unter dem Areal befindet sich eine sehr intensive Schlammquelle. Das stark sedimentbeladene Wasser sprudelt hier sehr kräftig hervor, begleitet von vielen Gasblasen. Direkt auf dem Schlammplateau aber hat das schlammige Material die gleiche Konsistenz wie auch die anderen zwei Areale.

Während unserer Begehung fuhr ein LKW vorbei. Der einzige wie sich zeigen sollte. Also mussten wir unter glühender Sonne "pe jos" hinüber nach Arbánasi und dann hinunter in das Valea Slánic nach Márgáriti. Es gab kein Wasser auf der Strecke, selbst auf dem Pass an einer Station einer Ölförderanlage tropfte es nur noch aus dem "hoffnungsspendenden" Hahn. Kraftlos und durstig erreichten wir Márgáriti. Direkt an der Stelle, wo wir auf die Hauptstrasse im Valea Slánic trafen, stand ein kleiner Kiosk. Es war kurz vor 15:00 Uhr. Wir kauften uns ein "Bere Ursus" und etwas zu knabbern. Da kam auch schon ein Bus, der hinauf nach Mânzálesti fuhr. Im Bus nutzten wir die Gelegenheit, bei Einheimischen erste Informationen einzuholen, auch was die Salzhöhlen anbelangte. Einer der Einheimischen erkundigte sich beim Busfahrer. Alles Weitere gestaltete sich für uns dann mehr als nur optimal. Der Bus fuhr nämlich bis hinauf nach Meledic, wo es auch eine Cabana gäbe. Ganz in der Nähe der gleichnamigen Höhle "Pestera Meledic". Hinter Mânzálesti kam dann der weisse Tufffelsen, mitten in dem breiten trockenen Flussbett stehend, in dem der Slánic und der Jghiabului zusammenfliessen. Ein beeindruckendes Bild! Hier machte der Bus zunächst noch einen Abstecher das Valea Jghiabului hinauf, bis Gura Bádicului.

Als wir wieder in das Valea Slánic einbogen, hielten wir ein wenig später an einem gemütlichen Magazin Mixt. Wir waren hier die einzigen übrig gebliebenen Fahrgäste. Der Busfahrer deutete uns an, wir sollen mitkommen - Pause kurz vor dem Ziel und vor der Ehefrau sozusagen :-). Wir tranken ein Bierchen und dann kam es faustdick. Rechterhand der Strasse begann die riesige Abbruchkante der Salzfelsen. Höchst beeindruckend! Kurz vor dem Ende dieser Wand zieht sich eine Strasse rechts hinauf nach Meledic, die auch unser Busfahrer nahm, da er kurz hinter der Cabana Meledic wohnt. Am Ziel hatten wir nur noch wenige Meter bis zur Cabana zu laufen. FEIERABEND! Feierabend? Na noch nicht ganz. Erst einmal mussten wir ja Quartier beziehen. Auf dem Vorplatz der Cabana kamen uns zwei schöne Hunde entgegen, mit denen wir uns schnell anfreundeten. Ein junger Mann kam aus der Cabana. Er, seine Frau und eine weitere junge Dame waren hier oben die einzigen Anwesenden. Zur Zeit sein sie mit dem Frühjahrsputz beschäftigt und unsere Ankunft löste doch eine gewisse Verwunderung aus. Dennoch, wir wurden sofort herzlichst aufgenommen. Mit 110.000 Lei pro Nacht/Person mieteten wir uns für drei Nächte ein.

Nachdem wir uns einquartiert hatten, stiegen wir gleich nahe der Cabana ab, zum nächsten Dorf und kauften erst einmal Lebensmittel für die nächsten Tage ein. Vor dem Magazin Mixt setzten wir uns mit einem Bere Ursus auf eine Bank und genossen die Stimmung während der Tag in der Dämmerung versank. Das Dorfleben zu diesen Abendstunden ist immer etwas ganz besonderes!

Spät am Abend unterhielten wir uns noch ein wenig mit Ciprian. Er ist nicht der Besitzer dieser Cabana, aber der verwaltende Chef sozusagen. Wir erkundigten uns nach die für morgen machbaren Tagesziele. Insbesondere ging es uns dabei um die Höhle "Pestera Meledic" und um Focul Viu. Die Höhle läge wohl ganz in der Nähe, aber bis Focul Viu wäre es schon ein Stück hin. Schwer zu finden allerdings. Ciprian bot sich an, uns morgen zu begleiten. Das war natürlich grosse Klasse! Wir erfuhren da schon einmal vorab, dass sein Vater über Focul Viu ein Sommerhäuschen hat. Und natürlich könne man da dann nicht so einfach vorbeigehen.


Die ehemaligen Kinderstuben des Belzebub

Rausgewachsen ist er, der Belzebub, aus seinen Kinderstuben. Sicher, damals war er noch klein und alles lag noch nicht so sehr tief unter der Erde. Und welches Gestein eignet sich besser als Salzgestein für eine sichere Bleibe. Heute ist es oft anders herum, da plant man manch "teuflischen Abfall" im Salz zu verbergen. Das kennen wir ja auch hier bei uns in Deutschland. Atommüll, Chemieabfälle und dergleichen ist da zum Verbleib geplant. Doch blicken wir nicht in die Zukunft, hier bei Meledic geht es um die Relikte der Vergangenheit.

 

So oder ähnlich, müssen früher schon die Lehrschautafeln für des Belzebubs Fachschulabschluss ausgesehen haben. Dieses Bild hier ist eine beeindruckende Nachbildung im Pronaos der Kirche von Lopátari.

Die nahe des oberirdischen Raumes gelegenen Kinderstuben des Belzebub haben eine schlichte Bewandnis und die liegt in der Entwicklung jenes gehörnten Knaben, der sich als Baby-Belzebub sicher wenig von seinen menschlichen Artgenossen unterschied. Sicher, kleine Hörnchen mag er damals schon gehabt haben, aber alles andere folgte sicher mit seiner Entwicklung, die da immer sehr abhängig war von dem, was die Menschen über den Belzebub zu denken gedachten. Im Grunde hat er von ihnen erst seine ihm zugestandene Rolle übernommen, bis er dann über diese selbst zu richten gedachte. Klar, das bedeutete dann natürlich rein gewerblich betrachtet: grössere Arbeitsräume, mehr Wärme aus der Tiefe, und der Belzebub kann dabei noch froh sein, dass er auf rumänischen Territorium seine Niederlassung hat. In Deutschland bräuchte er da sicher noch getrennte Marterkammern für Männlein und Weiblein. Das alles braucht es hier in Rumänien nicht und so hat sich der Belzebub seinen neuen unterirdischen Gewerbepark einfach ein paar Kilometer weiter unter Focul Viu gegraben, die sich weit hinziehen bis unter das Vrancea-Gebirge. Die alten Kammern seiner Kinderstube im Salzgestein sind nun im Zuge des ganz normalen Zerfalls in einen desolaten Zustand geraten und teils auch aufgebrochen. Dies zu beschnuppern und erste Recherchen zu betreiben, haben sich die zwei tapferen Brandenburger Recken Mario und Willi zur Aufgabe gemacht.


Auf Besuch in Belzebubs Kinderstube

05.04.2001 (Donnerstag)

Gegen 10:00 Uhr waren alle Morgenarbeiten erledigt: Waschen, Anziehen, Essen. Es konnte also losgehen. Erstes Ziel war die Pestera Meledic. Ein schmaler Fusspfad führte durch ein Waldstück zu dem ca. 50 Meter tiefen Einsturzbecken, in dem sich der Eingang zur Höhle befindet. Eigentlich sind dort zwei Höhleneingänge, aber der nach dem Abstieg links liegende Eingang ist nach ca. 15 Meter im Innern versandet. Dann der richtige Eingang. Zuerst rutschten wir noch einmal in einen tieferen Trichterkessel hinein. Direkt neben dem Höhleneingang im Fels, eine kleine Höhlennische. Das ganze Gestein dort war komplett mit kristallisiertem Salz ausgekleidet. Wunderschön! Dann aber rein in die Höhle. Einfach war´s nicht, denn der hier ebenfalls steil abfallende Weg ins Innere war von abrutschenden Schlamm ziemlich zu. Man musste sich durch den losen Erdschlamm quetschen. Dann aber folgte ein grösserer Saal. Geradezu, ca. 3-4 Meter höher gelegen, setzte sich ein schmaler Gang fort. Wir kletterten hinauf und fortan ging es nur noch im Kriechgang. Das Gestein war durch seine Salzablagerungen sehr scharfkantig und ich kratzte mir teils die Ellenbogen wund. Die hier befindlichen Höhlengänge setzten sich genau unter einer festeren Gesteinsdecke fort. Die Höhlendecke war somit fast plan. Sehr kurios anzuschauen. Wir überstiegen drei schmale Schächte, die zwischen 20 - 30 Meter in die Tiefe gingen. Dort sollen sich die Höhlengänge fortsetzen. Aber ein Abstieg war ohne Seil recht schwierig für uns. Auf dem Rückweg nahmen wir noch einen Gang, der nach rechts abzweigte. Dort entdeckten wir in einer Felsnische wunderschöne Salzfiguren. Als wir dann aus Bezebubs Kinderstube wieder hervorkrochen sahen wir aus wie seine Gehilfen. Wirklich, für eine ungelernte Anstellung hätte es gereicht :-).

An dem kreisrunden See Lacul Meledic (auch Lacul Mare Meledic genannt) mussten wir uns erst einmal den Schlamm von der Haut waschen. Oh je, nicht nur die Ellenbogen, die ganzen Unterarme waren zerkratzt. Egal, dieser Höhlenbesuch war es wert. Aber an dieser Stelle noch einige Worte zum Lacul Meledic. Dieser ist ein 19 Meter tiefer Süsswassersee und liegt auf einer nur wenige Meter dickeren Gesteinsschicht, die den Salzformationen darüber gelagert ist. Die Bauern aus der Umgebung kommen fast täglich mit Pferdewagen und Ochsenkarren her, um Wasser in grosse Holzfässer für Haus und Vieh abzuschöpfen. Dieser See ist so ziemlich die einzige nähere Wasserstelle für die Bauern auf dem Meledic-Plateau. Wir befinden uns hier sozusagen im Herzen des Muntele Sare (des Salzgebirges). Die Salzberge bestehen aber nicht direkt aus einem festen kompakten Salzgestein, sondern aus einer fest komprimierten Masse von Tuffen und anderem Lockergestein, vermengt mit hohen Salzanteilen. Diese Anteile werden dann von Regen und Sickerwasser ausgespült und treten oft in den Tälern des Valea Slánic, oder aber auch in den Dörfern um Meledic in Form weisser Rinnsale aus dem lockeren Felsgestein hervor. Auch die riesigen Felswände entlang des Valea Slánic hinter Mânzálesti, bis kurz vor Lopátari sind oft komplett mit auskristallisierten Salzschichten überzogen. Und ganz besonders bewundernswert ist diesbezüglich die Salzschlucht (Valea Izvorul Sárat), die vom Valea Slánic bis hinauf nach Meledic verläuft. Sie lässt sich gut bewandern, mit Ausnahme nach grösseren Regenperioden.

 

Dem Belzebub auf´s Dach gestiegen

Mittlerweile war es gegen Mittag. Die Zeit drängte und wir machten uns auf den Weg nach Focul Viu. Im Dorf hinter Meledic trafen wir Ciprians Vater, der gerade bei einem alten Gehöft mit einem Herren im Gespräch war. Nun, in diesem Falle wurde ein zügiger Weitermarsch unmöglich und wir mussten erst einmal auf´s Gehöft. Der Besitzer hatte blitzschnell eine Tuicáflasche hervorgezaubert und dann ging´s reihum. Nachdem wir uns mehrmals Gesundheit und viele Jahre gewünscht hatten, ging es weiter - "bergauf bergauf im schnellen Lauf". Ciprian hatte einen schnellen Schritt und wir hatten wirklich zu tun, den Anschluss zu behalten. Die Sonne brannte unbarmherzig auf uns hernieder und in dem nächsten Dorf war dann wieder eine Zwangspause im letzten Magazin Mixt von Nöten. Die Chefin begrüsste uns freundlich und wir bereiteten uns mit einem Bier auf den Weitermarsch vor. Eine alte Dame wollte sich eine Tafel Schokolade kaufen, aber das Geld reichte nicht hin. Ich hab´s aufmerksam beobachtet und bin dazu, um der alten Dame mit den nötigen Lei ein wenig Unterstützung zu leisten. Schliesslich spendierte ich ihr noch einen kleinen Kapitalstock für die nächste Schokolade. Das gefiel der Chefin. Die sauste los und bereitete uns eine grosse Schale gesalzenen Puffmais. Gratis! Aber auch wir waren auf derlei Gastlichkeit vorbereitet und spendierten den zwei Kindern der Chefin je ein Plüschpüppchen.

Nun drängte die Zeit und wir wussten, dass Ciprian jetzt das Tempo noch etwas erhöhen würde. Dennoch gelang uns der Anschluss. Mitten auf einem Hirtenpfad im Wald überholte uns Ciprians Vater mit dem Pferd. Er stieg vom Sattel und reichte uns eine kleine Flasche Tuicá, als würden wir uns ein erstes mal begegnen. Natürlich haben wir dankend abgelehnt, aber es half nichts. Wir gaben nach :-).

Nach ewigem Anstieg durch schmale Waldpfade dann endlich der Abstieg zu der Sommerhütte von Ciprians Eltern. Oh was öffnete sich da vor uns für ein schönes Panorama auf die hiesigen Subkarpaten, wobei man sich fragt, wieso diese Berglandschaften noch "Subkarpaten" genannt werden. Dann dauerte es nicht mehr lange und wir sassen in der schlichten Sommerhütte und bekamen Mámáliga, frischen Käse und ... hmm hmm .. gereicht. Mittlerweile war es schon gegen 17:30 Uhr und wir mussten endlich weiter. Wir stiegen auf der Hochweide ab und waren 15 Minuten später bei Focul Viu angelangt. Hier also tritt die überflüssige Energie des Belzebub an den Tag. Auf einem kleinen Areal von vielleicht 4 x 6 Meter treten aus mehreren Erdlöchern lodernde Flammen hervor. Dem Belzebub hat´s nicht gefallen, dass der Ciprian wieder ein paar Neulinge angeschleppt hat. Das Ergebnis war, dass er zur Strafe meine Kamera ausser Funktion gesetzt hat. Man kann es glauben oder nicht, aber noch vor 10 Minuten hatte sie einwandfrei funktioniert. Zu Glück hatte der Mario ja noch seine kleine Kompaktkamera mit Festfocus dabei. Wir pausierten ein wenig und genossen dieses Schauspiel der Natur und waren uns gewiss, hier ein erstes Mal dem Belzebub so richtig auf´s Dach gestiegen zu sein.

Die hier bei Focul Viu austretenden Gase entzünden sich zumeist von selbst. Bei den Löchern aus denen keine Flammen hervorlodern, kann man mit einem Feuerzeug diese problemlos entfachen.

Spät war es geworden. Für den Rückmarsch kam nun wegen der bald einbrechenden Dunkelheit nicht mehr der kürzere Weg durch den Wald in Frage. Wir mussten also in das obere Valea Slánic absteigen und dann per Strasse über Terca, Lopátari zurück nach Meledic. In Lopátari war bereits die Dunkelheit hereingebrochen, als wir an einer einladenden Gaststätte Halt machten. Die Füsse waren bereits flach wie Frühstücksbretter und auch der Durst quälte uns ungemein. Also rein ins Häuschen und ran an den Tisch. Wenig später waren wir eine gastliche Runde. Noch vor sich eventuell einstellender Trunkenheit galt es aber wichtige Dinge zu regeln, denn wir brauchten für den übernächsten Tag einen Fahrer, der uns nach Varlaam hinüberfährt. Ciprian zeigte sofort auf einen mehr stillen Typ in unserer Runde. Er hätte einen Aro und ist dazu ein guter Fahrer. Also, was wird´s kosten? Der stille Typ meinte ohne Umschweife 100,-DM. Das war recht heftig, laut Strassenkarte könnten es nicht mehr als 20 km sein. Der Wirt schaltete sich sogleich ein und meinte, das der Preis nicht in Ordnung wäre, denn eher 50,- DM. Da bekundeten wir dann doch unsere Zustimmung, obwohl wir immer noch ein flaues Gefühl bei dem Preis in der Magengrube hatten. Nichts desto trotz, die Magengrube blieb danach nicht länger leer. Ich sass neben einen Einheimischen, den die anderen alle den "Philosoph" nannten. Mir gefiel das sehr gut, denn schliesslich fachsimpelte ich mit dem schon eine geraume Zeit. Dem Verständnis half es, dass der Philosoph - im Gegensatz zu anderen Rumänen - nicht immer schneller sprach. Mittlerweile war es so um Mitternacht, Zeit ins Bett zu gehen. Uns kam das wie der längste Weg vor, den wir je zu Bett gelaufen sind.

 

06.04.2001 (Freitag)

Ich erwachte noch vor Mario, weil mir scheinbar mein Mageninhalt etwas zu berichten hatte. Teufel noch mal, was ging es mir schlecht. Marios Schäden waren zunächst noch nicht sichtbar. Aber als dann seine Füsse das Licht der Welt erblickten, und Mario mit leidgeplagter Mine versuchte, mir stehend einen "Guten Morgen" zu wünschen, da taten sich dann doch Zweifel auf.

Beim Frühstück trank ich 2 Tassen Tee und hinterher dann doch schon einen Kaffee. Wieder schien die Sonne, wie all die Tage zuvor und was soll man da lange rumsitzen. Wenig später waren wir bereits wieder auf Tour. Unser Ziel war zunächst dieser wunderschöne weisse Tufffelsen "Piatra albá" bei Grunj. Grunj ist eine kleine Ortschaft, die der Kommune Mânzálesti zugehörig ist. Es gibt einen Weg - vorbei an urigen Bauerngehöften - direkt zum Piatra albá. Kurz vor dem Ziel steigt der Weg steil hinab ins Tal, und es bietet sich ein wunderschöner Blick auf das Valea Slánic.

Unseren Informationen nach sollte es in Mânzálesti ein kleines Dorfmuseum geben, dass wir uns doch gerne einmal anschauen wollten. Von Grunj läuft man noch ca. 2 km bis ins kleine Zentrum von Mânzálesti. Vor dem Rathaus steht ein recht aberwitziges modernes Beton-Monument der orthodoxen Kirche. Dann sind wir rein ins Rathaus und wurden auch gleich vom Bürgermeister Professor Cristea Dumitru empfangen. Zwei Bürodamen und ein weiterer Angestellter interessierten sich natürlich dafür, was uns wohl in diese Gegend gelockt hat. Der Bürgermeister war ein sehr gebildeter Mensch und hat auch ein dicken Wälzer über diese Region und ihre Geschichte verfasst. Stolz präsentierte er uns ein Exemplar davon.

Fast eine Stunde tauschten wir uns aus, so gut es eben ging. Zudem hatte der Bürgermeister auch noch eine schlichte Skizze von dem Kreisgebiet der Comuna Mânzálesti unter einer Glasplatte seines Schreibtisches zu liegen. Das interessierte mich schon sehr, weil auf allen Karten nur die zwei Orte Mânzálesti und Lopátari verzeichnet sind, nicht aber die dort eingegliederten Dörfer, die sich hier in der weiteren Region befinden. Diese Skizze war ein guter Anfang und ich bat um die Möglichkeit einer Kopie. Mein Wunsch wurde umgehend erfüllt. Nun das Museum, wo ist es? Das befindet sich direkt an der grossen Strasse bei Grunj. Wir sind daran vorbei gelaufen, aber es war ja eh verschlossen. Der Bürgermeister sprach mit dem zweiten Herren und dann hiess es "Abfahrt". Der Herr und seine Frau fuhren uns mit ihrem Dacia dorthin und geleiteten uns dann durch die Ausstellungsräume. Wir waren ausserordentlich überrascht über die liebevoll hergerichteten Räume. Als besonderes Exponat hat es mir die Capra angetan, mit der man zur Weihnachtszeit von Haus zu Haus zieht. Aber auch all die anderen Exponate, wie die traditionellen Kostüme, Waren der Handwerkskunst (Webereien, Stickereien, Holz- und Töpferwaren) und verschiedene Gerätschaften, interessierten uns sehr. Nach abschliessendem Eintrag im Gästebuch und einem herzlichen Abschied, schlenderten wir dann weiter in Richtung Lopátari.

Informationen zum Museum

COLECTIA DE CULTURÁ POPULAREÁ MÂNZÁLESTI

Von Mânzálesti kommend, direkt links an der Hauptstrasse in Grunj, gegenüber dem weissen Tufffelsen "Piatra albá" gelegen.

Ansprechpartner: Besliu Valeriu / Telefon: 038 529 664 ..... oder direkt in der Primária (Rathaus) von Mânzálesti nachfragen!

Doch nach wenigen Metern stoppten wir an einem Gebäudekomplex, an dem wir ein kleines Magazin Mixt ausmachten. Es war zu, aber wir sollten nur warten, die Chefin wäre gleich wieder zur Stelle. Neugierig schauten wir uns ein wenig um und erblickten im hinteren Gebäudekomplex uralte Maschinen italienischer Herkunft zum Walken von Filzstoffen und eine grosser Webstuhl zum Spinnen von Garnen. Eine Frau war gerade dabei, die grosse Spinnmaschine einzurichten. Nach einigen Fotos dann je ein Bierchen und dazu etwas zum Knabbern. Wir sassen auf einer Bank vor dem Haus und genossen das Dorfleben, welches sich hier so einstellte. Die Leute waren sehr umgänglich und so ziemlich jeder der hier auf den Hof kam, interessierte sich ein wenig für uns.

Gleich hinter Grunj kommt das Dorf Sáveni. An der Bergflanke zur Rechten, finden sich schon die ersten kleinen weissen, salzwasserhaltigen Rinnsale. Manchmal ziehen sie sich malerisch in kleinen Schlenkern dahin. Dann hinter dem Ort, die wunderschöne Steilwand aus Salzgestein, die sich etwa 2 km bis zur aufsteigenden Strasse, welche nach Meledic führt, hinzieht. Die Erosionen an dieser Steilwand haben teils sehr schöne Strukturen ausgewaschen. Es lohnt, in diesen kleinen aufsteigenden Rinnen die im Fels ausgelösten Salzkristalle in mitunter grosser Formenvielfalt zu bewundern. Mannsbreite senkrecht aufsteigende Rinnen im Fels sind zumeist komplett vom Salz ausgekleidet, scheinbar samtweich, so dass man gar nicht ohne Berührungsversuche davon kommt. Sammeln kann man diese Salzkristalle kaum, denn sie zerbrechen sehr schnell und lassen sich so schlecht mitführen. Daher sei dem Besucher UNBEDINGT ein guter Fotoapparat empfohlen, wenigstens aber eine Kompaktkamera mit gutem Macro und zuverlässigem Autofokus. Die dann auf ein DIA verbannten Erinnerungen sind dann oft weit imposanter als das Material selbst.

Mittlerweile haben wir die Abfahrt nach Meledic erreicht. Wir hatten Durst und Hunger. Also auf nach Lopátari. An einem neu erbauten Komplex, bestehend aus einem Mischwarengeschäft und einer Gaststätte, machten wir Halt. Kauften uns eine Limo und Salzgebäck. Schliesslich schlenderten wir weiter durch den Ort, hinauf zur Kirche. Die Kirchen in dieser Region sind von eigentümlicher Bauart. Aber es passt auch zu einer Gegend, in der eh so manches anders ist. In der Kirche fand gerade eine Beerdigungsfeier statt. Die Rede des Preoten wurde über Lautsprecher auch nach draussen übertragen. Ich wagte einen Blick in den Kirchenvorraum. Links neben der Eingangstür zum Kirchenhauptraum erblickte ich eine wunderschöne Malerei, auf der der Weg ins Fegefeuer dargestellt wird. Im Vergleich zu den sonst so strengen Vorgaben der Kirchenmalerei, erschien diese Darstellung hier fast wie eine naive Bauernmalerei. Lehrmaterial für den Belzebub :-) !

Auf dem Rückweg durch den Ort kamen wie wieder an der Gaststätte vorbei, in der wir den Abend zuvor so lange verweilten. Und wer sitzt da draussen auf dem Hof? Unser Philosoph. Wir setzten uns zu ihm, gaben eine Lage und genossen die Gemächlichkeit, der wir uns für diesen Tag verschrieben hatten.

Es war bereits 17:00 Uhr und nun gingen wir unser letztes Tagesziel an, die Salzschlucht nahe dem Abzweig Meledic. Der Boden war recht trocken und wir konnten gut laufen. Nach 200 Metern verengte sich die Schlucht zunehmend. Kleine enge Seitenschluchten führten weit hinauf in die steilen Wände. Eine Seitenschlucht hatte es uns dann aber doch angetan. Wir kraxelten hinauf. Noch schönere Salzkristalle als je zuvor haben wir hier gesehen und dann die grosse Überraschung, eine kleine Höhle, die wie ein Tunnel einige Meter weiter oben wieder in die offene Wand führte. Einen schönen Blick hatten wir von hier aus.

Weiter oben verliessen wir die Schlucht und kletterten links hinauf, um anschliessend über eine Wiese wieder auf den Weg nach Meledic zu gelangen. Aber sogleich nach Cabana Meledic? Neee, auf keinen Fall! So gingen wir die Strasse wieder hinunter nach Trestioara. Das dortige Magazin Mixt war uns ja schon vom ersten Abend her bekannt. Wir kauften auch gleich noch frische Lebensmittelvorräte für die morgen bevorstehende Vrancea-Tour. Dann liessen wir auf der Bank vor dem Magazin Mixt, mit einer Flasche Bere Ursus in der Hand, die Dämmerung hereinbrechen. Ich glaube es waren je zwei Bären-Bier für jeden, denn schliesslich mussten wir uns ja für die Wildnis schon etwas sensibilisieren.

Mit dem letzten Tageslicht erreichten wir dann unsere liebe Cabana. Ein Dacia stand auf dem Hof und alle dort Anwesenden waren mit dem Ausladen des Autos beschäftigt. Wir begrüssten uns. Ein älterer Herr stellte sich als der Besitzer der Cabana vor. Er war zum Wochenende mit Frau und Tochter hinaufgekommen, um ein wenig am Frühjahrsputz mitzuwirken. Ich notierte mir bei dieser Gelegenheit noch einige Informationen über die Cabana.

CABANA MELEDIC

COMPLEX TURISTIC "MELEDIC" - PENSIUNE

Proprietar: Costin Olimpiu

Sat. Meledic / Com. Mânzálesti / Judet Buzáu

Bewirtschaftet von: Ciprian & Nota Ceaus

Tel.: 038 548648 (Cabana)

Die Cabana Meledic, erbaut im Jahre 1991, liegt auf dem Plateau Meledic in einer Höhe von 820 Meter. Sie verfügt über 14 Zimmer (2-3 Bettzi.). Die meisten Zimmer haben je ein eigenes WC. Die Zimmer sind schlicht auf das Nötige eingerichtet. In kalten Jahreszeiten bekommt man auch problemlos eine sehr wirkungsvolle Elektroheizung gereicht. Direkt unterhalb der Cabana ist der Lacul Mare Meledic und dahinter befindet sich die grosse Festwiese, auf der jedes Jahr am 24. Juni das "Festivalul Slánicului", heute oft auch bezeichnet als "Târgul de Munte", stattfindet. Wer dieses Spektakel erleben möchte, der melde sich in der Cabana aber mehr als nur rechtzeitig an. Ansonsten findet sich immer auch ein Platz für´s Zelt.

 

  Bilder zur Story: "Dem Belzebub auf´s Dach gestiegen" / von Vulcanii Noroiosi nach Muntele Sare (1,16 MB)

 


 

Von einem Bären zum ander´n!

07.04.2001 (Samstag)

Wir standen gegen 8:00 Uhr auf. Heute hiess es Abschied nehmen von Cabana Meledic. Aber würde unser Chauffeur wie verabredet gegen 10:00 Uhr uns auch wirklich abholen? Ciprian sah uns die Bedenken an, er beruhigte, es würde auf jeden Fall klappen. Es war 10:30 Uhr, da hörten wir endlich das Auto nahen. Tureac Traian kam mit einem wuchtigen Aro, einer mit diesen Ladeflächen hinten. Da war reichlich Platz für unsere grossen Rucksäcke. Dann Platz genommen in der Fahrerkabine und ab ging die "Post". Das Wetter war leicht bewölkt und unser Freund zeigte sich zuversichtlich, dass wir die Strecke hier heute bewältigen würden. An längeren Regentagen wäre da nämlich kein Durchkommen. So richtig konnten wir uns das nicht vorstellen, zunächst war die hinter Lopátari dann unbefestigte Strasse zwar sehr holperig, aber von steinigen, festen Untergrund. Wir fuhren vorbei an wunderschönen Dörfern, die auf keiner Strassenkarte zu finden sind. Unglaublich, wie verzweigt die Landschaft in den hiesigen Subkarpaten ist. Je höher wir kamen, desto sandiger wurde der Boden. An einigen Stellen waren noch riesige Wasserpfützen, die man teils auch nicht umfahren konnte. Hier bekamen wir schon einen kleinen Eindruck davon, was uns wohl an einem Regentag erwartet hätte. Aber dann wäre unser Freund hier eh nicht gefahren. Dann ginge es nur über die lange Strecke, runter nach Buzáu und dann über Nehoiu nach Varlaam.

Plötzlich wurde unser Fahrer etwas unruhig und stoppte den Wagen. Die Achse vom rechten Vorderrad hatte sich etwas gelockert. Nach 20 Minuten sassen wir dann wieder im Auto und die Fahrt ging weiter. Gegen 12:30 Uhr erreichten wir endlich Varlaam. Im hinteren Teil des Ortes vereinigen sich die Flüsse Bisca Micá und Bisca Mare. Hier nun bogen wir in das rechte Tal des Bisca Micá. Noch ein kleines Stück hinauf und bei den letzten Häusern war dann Schluss mit der ewigen Autofahrerei. Wir verabschiedeten uns. Mario und ich, wir waren uns längst einig darüber, dass unser Fahrer mit 50,-DM für diese Strecke, die wir vollkommen unterschätzt hatten, schlicht unterbezahlt war. Wir gaben ihm 70,-DM. Der Verschleiss, den die Maschinen auf diesen Pisten einfahren, ist sicher enorm.

Mit schweren Gepäck auf einer sich hinziehenden Forststrasse, das ist so ziemlich die schlimmste Schinderei, die einer Bergwanderung zumeist vorausgeht. Es war eh Sonnabend und da fährt kein einziges Fahrzeug die Täler hinauf. Uns blieben nur die Füsse. Aber wer weiss, vielleicht würden wir ja an einer Stelle schon einmal einen Blick auf den 1777 m hohen Gipfel Vf. Lácáuti haben. Doch zunächst war ja das Penteleu-Massiv zu umwandern. Dieses lange Anmarschgebiet ins Vrancea ist auf unserer Karte vom Vrancea-Gebirge nur zu einem Teil darauf. Die Skizzierungen aus dem Buch "Die Bergwelt Rumäniens" gaben auch nur ansatzweise Auskunft über den Verlauf dieses Tales. Egal, nach ersten Erkundungen bei Einheimischen, kommt noch ein kleiner Ort Namens "Vadu Oii". Dort wäre dann auch die letzte Versorgungsmöglichkeit. AHA!!! Das spornte uns dann doch ein wenig an zu kraftvollen Schritten.

Kurz nach 14:00 Uhr erreichten wir das malerisch gelegene Vadu Oii. Ein kleines Hirtendorf und ziemlich zu Beginn gleich links dann zwei Magazin Mixt hintereinander. Eines urbarer als das andere. Wir dachten nur noch praktisch und stürmten das Erste. Eine charmante junge Dame war gerade mit kleineren Malerarbeiten beschäftigt. Wir setzten die schweren Rucksäcke ab und erfreuten uns des wonnigen Biersortimentes. Wir pausierten lange und verköstigten mehrere Sorten. Ein junger Forstbeamter kam noch hinzu und so nahm ich die Gelegenheit bei Schopfe, mal nachzufragen, wie weit es denn noch hinauf bis zum Ende des Valea Bisca Micá wäre. Ooohh, weit, weit. Du jeminee, da brauchten wir vor dem Weitermarsch dann doch noch ein Bären-Bier. Kein anderes Bier schien uns geeigneter, dem Ruf des Vrancea gerecht zu werden. Ach ja, ich hatte ja am heutigen Tag auch Geburtstag!!! Hmm, ohne einen feierlichen Tropfen konnten wir da auf keinen Fall unser heutiges Nachtlager ansteuern. Mario hat mir auch gleich das in diesem Moment wohl schönste und passendste Geburtstagsgeschenk gemacht, indem er die Palinka-Flasche in seinem Rucksack unterbrachte.

Auf einer Strassenkarte war noch ein Hinweis auf einen kleinen Ort, wohl noch etwas talaufwärts gelegen. "Secuiu" stand da geschrieben. Der junge Forstmann klärte uns auf. Das wäre da nur eine Ansammlung einiger Forsthäuser. Wohnen tut dort niemand. Nun, bis dahin wollten wir es aber schon noch ganz gerne schaffen. Dann quälten wir uns wieder die Kraxeln über. Es war nur noch ein beschwerlicher Marsch. Kurz vor Secuiu dann die erste kräftige Bärenspur direkt im Schlamm neben der Forststrasse. Ein angenehmer Wechsel der Gefühle und für kurze Zeit waren die Mühen des Wanderns vergessen. Gegen 18:00 Uhr war dann ENDLICH "Secuiu" erreicht! Direkt am Fluss, hinter einem verlassenen Waldarbeiterhaus, bauten wir die Zelte auf. Nach dem Einrichten dann eine späte Kaffeepause. Dicke Regenwolken zogen herauf. Während ich mit der abendlichen Suppe beschäftigt war, entfachte Mario schon ein Lagerfeuer. Brennholz hatten wir hier überreichlich. Dann wieder der Regen. Nach dem Abendbrot errichteten wir uns am Feuer einen provisorischen Unterstand, damit wir die Geburtstagsfestlichkeiten nicht auf den kommenden Tag zu verschieben brauchten.

Der Unterstand war fertig, wir endlich darunter gemütlich beisammen. Das Tröpfeln des Regens belächelnd, änderte sich plötzlich das Wetter. Die Wolken rissen auf, es schien der Mond und tausende Sterne schrieben in den Himmel: "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" Oooh, dass war aber nett. Das Feuer knisterte vor sich hin und wir unterhielten uns ungeniert lauthals über alte Rumänienerinnerungen. So gegen 1 Uhr in der Nacht gingen wir dann zu "Sack". Wird Urs, der Bär uns hier ein wenig schlafen lassen?

 

08.04.2001 (Sonntag)

Heute sind wir um 10:00 Uhr aufgebrochen. Das Bisca Micá-Tal zieht sich unendlich hin. Nach jeder Steigung, nach jeder Kurve, hofft man endlich den Gipfel des Vf. Lácáuti zu sehen. Nichts und wieder nichts! Dafür fanden wir aber wieder Bärenspuren auf und neben dem Weg. Ich war Mario ein Stück voraus, als die Forststrasse eine halbkreisartige Biegung machte. Durch die Bäume hindurch sah ich, dass sich da etwas bewegte. Ich näherte mich der Biegung, in der sich eine kleine Lichtung unten am Fluss befand und sah ein ganzes Rudel Hirsche. Fast 30 Meter kam ich ran, aber dann haben sie mich entdeckt und sind den Hang hinauf in die dichte Schonung geflüchtet.

Weiter oben, besonders an engen Talstellen, lag noch hoher Schnee im Wald und auch die Strasse war teils mit einer dicken Schicht Eis überzogen. Nach einer Kurve änderte sich das mitunter blitzartig. Die Wechsel von Winter und Frühling wiederholten sich an diesem Tag noch recht oft.

Mario und ich, wir haben uns auf der ganzen Strecke nur mehr oder weniger Kurzpausen gegönnt. Schliesslich wollten wir doch dem Lácáuti-Gipfel möglichst nahe kommen, vielleicht diesen noch besteigen, hinauf zur Wetterstation. Aber so gegen 16:00 Uhr überwog die Hoffnungslosigkeit. Für´s Auge gab es auf der ganzen Strecke dennoch viel zu sehen. Das Tal ist in seiner Gestalt sehr wechselhaft. Es führt durch dichte Wälder mit eng aufsteigenden Hängen und wechselt sich ab, mit weiten Talwiesen und wunderschönen Forststationen. Zu dieser Jahreszeit war fast alles natürlich noch vollkommen verlassen. Nur an einer einzigen Forststation sahen wir einen Forstmann laufen. Gegen 18:00 Uhr erreichten wir das Forsthaus Cabana Benedek. Der Chef und einige andere Leute hatten hier ihr Wochenende verbracht und wollten gerade mit dem Auto abreisen. Ich konnte noch einige Informationen für unseren Weiterweg erfragen. Somit stand wenigstens fest, dass wir morgen endlich unseren ersehnten Gipfel erreichen würden. Das war doch schon ein Trost.

Wir bauten die Zelte auf einer grossen Wiese auf. Anschliessend war die Essenzubereitung das höchste Kulturgut für uns!

So weh mir die Füsse auch schmerzten, so konnte ich es zu später Stunde doch nicht lassen, noch einen kleinen Rundgang zu unternehmen. Nahe unserer Wiese stand noch eine ältere Baracke. Sie war verschlossen, aber ich konnte durch die Scheiben sehen, dass sie von Waldarbeitern genutzt wurde. Kurz hinter der Baracke führten eiserne Brückenreste über die Bisca Micá. Das musste die Stelle sein, an der die Waldbahnstrecke einst von Benedec über Holomu nach Comandáu führte. Reste vom Gleisbett waren noch vorhanden und viele dieser alten Schienennägel lagen hier herum. Ich schlenderte noch ein kleines Stück hinauf und plötzlich sah ich frische Spuren von Meister Petz, der hier mit seinen breiten Pranken auf einer grossen Fläche die Grasnarben aufgerissen hatte, um nach Kleingetier oder frischen Zwiebeln und Wurzeln zu suchen. Die Abdrücke der Krallen reichten tief in den Boden. Und das keine 300 Meter von unseren Zelten. Das war schon aufregend.

Hier auf diesem Areal liefen auch zwei kleine Hunde herum, die an den Wochenenden sicher sich selbst überlassen sind. Der freche Mischling, einem Spitz recht ähnlich, war ein ganz aufgeweckter und lies sofort mit sich spielen. Der andere war ein junger Hirtenhund. Nach anfänglichen Gebell akzeptierte er uns dann auch, besonders nach einigen Appetithäppchen. Von da an waren die Zwei immer in unserer Nähe.

Dann kam die Nacht über uns. Die zwei neuen Freunde schienen sich verpflichtet und veranstalteten in der Nacht ein ununterbrochenes Gebell. Manchmal ganz in unserer Nähe, dann wieder kam der Lärm bis tief aus dem Wald zu uns herüber. Einmal klang es so kreischend, als hätte Meister Petz einen der beiden am Kragen gepackt. Ausgelastet schienen die Zwei damit aber nicht zu sein, denn früh sah ich, dass einer wohl eine Abspannleine von meinem Zelt durchgebissen hatte. Na ja, immer noch besser, als eine grosse Pranke im Vorzelt :-))) !

Hier an dieser Stelle sollte dem Leser vielleicht doch noch einmal erklärt werden, was uns für diese Anmarschroute zusätzlich motiviert hatte. Auf der alten Wanderkarte vom Muntii Vrancei, der Serie "Muntii Nostri", war auf dem gesamten Verlauf des Valea Bisca Micá eine Waldbahnstrecke eingezeichnet. Motiviert vom Wassertal und anderen Tälern mit ehemals verlaufenden Waldbahnstrecken, hatten wir darauf spekuliert, auch hier noch Reste dessen zu finden. Aber diese Strecke im Bisca Micá wurde vor etwa 3 Jahren komplett eingestellt und von der Forststrasse überbaut. Wenige Kilometer talaufwärts, soll sich noch ein kleines Eisenbahndenkmal befinden. Die alte Baracke hier bei Benedek, so stellte sich heraus, war einst die hiesige Bahnstation. Das aufgeschüttete Gleisbett verläuft hier noch in einem grossen Wendekreis.

 

09.04.2001 (Montag)

10:00 Uhr Abmarsch! Sonnenschein und aufgelockerte Bewölkung. Sehr schönes Wanderwetter. Und endlich der entscheidende Tagesabschnitt, den wir uns - wenigstens optisch - schon seit zwei Tagen ersehnt hatten. Zunächst aber hiess es wie die Tage zuvor, weiter das aufsteigende Valea Bisca Micá enlang. Ca. 2 km nach Cabana Benedek sahen wir eine recht neue Forststrasse, die nach links abzweigte. Sicher eine neue Verbindung nach Comandáu und wichtig für den Holztransport. Wir aber blieben unserem Tal noch treu. Nach weiteren 3 km hatten wir dann ENDLICH, ENDLICH einen ersten Blick auf den Vf. Lácáuti mit seiner Wetterstation. Wenig später kam dann links der Strasse das Denkmal, welches an die ehemalige Waldbahn erinnern soll. Es besteht aus einem Sockel, auf dem eine Holzlore steht. Nichts besonderes an sich, hier zählt sozusagen das Symbol!

Einige hundert Meter weiter dann ein Forsthaus. Zwei Waldarbeiter schauten verdutzt aus der Tür, als ich da meinen Rucksack absetzte. Sicher hätten sie eher auf einen Bären getippt, als einen Wanderer. Mario folgte wenig später, aber da hatte ich ihm schon einen gastlich gereichten Tuicá voraus. Der Arme :-) ! Wir redeten eine halbe Stunde miteinander. Dabei kamen doch einige interessante Neuigkeiten für uns zutage. Ob nun alles stimmen mag oder nicht, aber die zwei behaupteten z.B. dass es in den Subkarpaten des Vrancea zwei sogenannte Orte des "Focul Viu" geben würde. Detaillierte Angaben dazu gab es leider nicht. Das wichtigste war aber nun für uns der richtige Anmarsch hinauf zum Gipfel. Wie sieht´s aus mit dem Schnee usw..

Die Waldarbeiter empfohlen uns den Aufstieg nach dem nächsten Forsthaus, den Forstweg entlang des Valea Mánisca Mare ... . Wir hatten zuvor die andere Variante, noch ein Stück entlang des Bisca Micá im Valea Dobroslavele, in Betracht gezogen. Aber die Zwei winkten ab, weil dort der Schnee noch etwas tiefer wäre.

Kurz nach der Waldarbeiterhütte hatten wir die letzte Waldarbeiterstation Cabana Goru erreicht. Hier mussten wir also links hinauf. Ein Forstfahrzeug wurde da gerade mit Holz beladen. Nach ca. 4 km war dann nahe einer provisorischen Hütte die Forststrasse zu Ende. Alles war noch unter Schnee und Eis. Ein schlammiger Pfad zog sich am Ende rechts hinein in den Wald. Nach einer kurzen Pause stiegen wir da steil nach oben ein. Wir versanken fast bei jeden Schritt im Schnee oder im Modder. Dann macht der Weg eine Biegung nach links und führt im Prinzip immer rechts vom Mánisca-Bache hinauf. Im Prinzip! Denn der Schnee lag in einem Areal zunächst zu hoch, als dass wir hätten einen Weg ausmachen können. Nach ein wenig hin und her entschieden wir uns wieder nahe dem Bach hinaufzuwandern und siehe da, wir hatten den Weg wieder. Weiter oben wurde die Schneedecke dünner. Dann kurz vor dem Kamm öffnete sich der Wald und wir standen auf einer Wiese voller Krokusse. Ein bezauberndes Bild. Einige Meter weiter steht ein ca. 4 Meter hohes Holzkreuz. Aber wo ist der Vf. Lácáuti? Die angenehme Vermutung, wir würden fast dasein, erfüllte sich nicht. Ich lief ein Stück den Kamm nach rechts und sah dann mehr links oben den ersehnten Gipfel. Da war es leicht auszumachen, dass wir noch über eine bewaldete Kammverbindung müssen. Aber das geht sicher schnell, dachten wir uns. Denkste! Hier war der Schnee wieder von einer Höhe zwischen Knie und "Gemächt".

Ich sackte ständig ein und es kostete sehr viel Zeit. Wir hatten hier oben auch eine Markierung gefunden (rotes Band), die sich dann aber wieder verlor. In dem dichten Wald war dennoch eine Schneise auszumachen und die Formen des Weg´s zeichneten sich wieder deutlicher ab. Dann oben auf dem Querkamm ein etwas besserer Weg und wenigstens mit einer Skispur. Möglicherweise von einem Wetterwart. Was wird uns da oben überhaupt erwarten? Vielleicht ist da ja auch alles zu und verfallen.

Wir kämpften uns Schritt für Schritt dem letzten Gipfelstück entgegen und plötzlich, mitten auf dem Weg: Bärenpranken! Schön anzusehen, aber auch respekteinflössend. Der Bär lief zuvor in unsere Richtung. Aber die Spuren hatten sich im Schnee schon etwas geweitet und waren so nicht mehr ganz frisch. Ebenfalls nicht mehr so ganz frisch kamen wir dann oben auf dem Gipfel an. Sogleich, noch vor der Abzäunung des Geländes kamen uns drei prächtige Hunde mit einem anständigen Gebell entgegen. Wir liefen einfach weiter und die Hunde änderten nichts an ihrem Verhalten. Ein kräftiger Herr mittleren Alters trat vor die Tür. Ich frug ihn, ob er hier für uns eine Bleibe hätte. Seine erste Frage war hingegen, ob wir Ungarn wären, was er zunächst vermutete. Denn, so wurden wir belehrt: hier verlief früher die alte Grenze zwischen Rumänien und Transsilvanien. Ein mittlerweile nicht mehr intakter grosser Wasserbehälter war in der Farben der rumänischen Trikolore angestrichen. Damit bewahrte sich dieser an sich sinnlos gewordene Kessel eine äusserst wichtige Funktion :-)) ! Nachdem wir uns ein wenig bekannt gemacht hatten, wurden wir gastlich aufgenommen. In der ersten Etage bekamen wir ein eigenes Gästezimmer. Insgesamt versehen hier oben immer zwei Männer ihren Dienst.

Ich musste dann aber unbedingt noch einmal raus in die stürmische Kälte, um auch den Hunden klarzumachen, dass ich kein Geist bin. Sicher, gerochen habe ich danach womöglich schon etwas :-)) ! Fast 20 Minuten kläfften die wackeren Kerl´s unablässlich, aber dann schnappte der grosse Schwarze schon mal in seinem Übereifer ganz zärtlich in meine ihm gereichte Hand. Da hat er sich wohl über sich selbst etwas erschrocken, dass er zu soviel Zärtlichkeit in der Lage war. Nun, jedenfalls war das Eis damit gebrochen und auch der etwas kleinere Schwarze zeigte sich fortan eher neugierig. Der andere Hund, mehr einem Hirtenhund ähnlich, blieb aber immer in Abstand zu uns. Das genügte mir.

Die Männer von der Wetterwarte deuteten auf unseren Ofen und meinten, wir könnten ruhig Feuer machen. Trockenes Holz lag bereits da. Das liessen wir uns nicht zweimal sagen, denn zum Abend ist es hier wirklich bitter kalt geworden. Allmählich kam Gemütlichkeit in unsere Stube, während draussen der Sturm wütete. Mario ist da gleich etwas witziges aufgefallen. An der einen Wand hing ein Bild von Maria und ihr gegenüber befand sich eine Konsole mit einer leeren Schnapsflasche darauf. Wie sollten wir das deuten?

 

10.04.2001 (Dienstag)

Wir hatten einen "seligen" Schlaf. Gegen 8 Uhr sind wir erwacht. Das Wetter war stark bewölkt, aber immerhin, es regnete nicht. Auch die Sicht war nach wie vor ganz gut. Wir frühstückten auf unserer Stube und packten dann die Sachen. Dann sind wir runter zu den Leuten von der Station und haben denen einen kleinen Obolus entrichtet. Nun, er war jedenfalls so gut, dass wir noch auf einige Gläschen geladen wurden. Wir sprachen noch einmal über unseren Streckenverlauf. Die wichtigste Nachricht war, dass der Schnee in unserer Richtung stark abnehmen würde und es beim Abstieg in das Tisita Aurie-Tal keinerlei Probleme geben würde. Vom oberen Geschoss der Wetterwarte habe ich mir den Streckenverlauf nochmals skizziert. Kurz vor unserem Weitermarsch bekamen wir von den zwei Herren der Wetterwarte noch Wurst und frischen Käse mit auf den Weg. Wir wollten darauf verzichten, aber die Männer bestanden darauf!

9 Uhr ging es dann endlich los. Wir stapften zunächst über verharschten Schnee. Nach einem Stück entlang dem Kamm, folgten wir dann einer Markierung -blauer Punkt- einem absteigenden Kammverlauf zur Poiana unterhalb des Vf. Mîrdanu (1550 m). Wir stiessen auf eine verlassene Stâna und machten dort eine kurze Rast. Die Sonne kam allmählich durch und wir hatten einen malerischen Blick auf den Vf. Goru (1785 m). Hier endeten die Weideflächen und ein Weg führte weiter in Richtung Poiana Sindrilita. Wir waren doch recht verwundert darüber, dass wir auf diesem Weg Reste von Bahnschwellen einer einstigen Kleinbahntrasse ausmachten.

Dann verliessen wir diese Trasse und stiegen einen Hirtenpfad hinab in ein tiefes bewaldetes Tal. Hier fanden wir gelegentlich alte Markierungen -blaues Dreieck- vor. Unten an einem schönen Bach - Frühstückspause! Anschliessender Aufstieg. Der schmale Pfad endete nach den steilen Abschnitten auf einen mehr eben verlaufenden breiteren Weg, auf dem wir wieder diese Waldahntrasse ausmachten. Nach ca. einer 3/4 Stunde Laufzeit kamen wir an einem Markierungspunkt an, in dem es in drei Richtungen weiterführte. Aber es war auf den Schildern nichts mehr zu lesen. Ein Pfad verlief absteigend und der andere geradeaus. Aber auch hochwärts verliefen Pfade. Wir entschlossen uns für den Weg geradeaus. Die Übersicht zu dem nach links hinaufsteigenden Berg besserte sich auf einer Wiesenfläche. Wir setzten die Rucksäcke ab. Schauten auf die Karte. Ich lief ein Stück des Wegs zur Übersicht weiter und konnte nach einer Biegung feststellen, dass hier der Weg nur noch absteigend verlief. War also falsch. Die links aufsteigenden Wiesenflächen, hinauf zu einem bewaldeten Bergkamm mussten somit die Poiana Sindrilita sein. Egal, hier kommt es auf einige hundert Meter nicht an. Wir entschieden uns zum direkten Aufstieg. Es ging recht schnell. Von oben hatten wir einen wunderschönen Ausblick und sahen sogar unsere alte geliebte Wetterstation noch einmal aus der Ferne. Auf der anderen Seite des Kammverlaufes hatten wir einen klasse Einblick in den Kessel um Izvoarele Narujei. Wir sahen auch verlassene Nutzgebäude bei denen es sich nur um "Izvoarele" handeln konnte. Auch die auf der Karte verzeichnete Forststrasse darin war zu sehen. Schliesslich fanden wir auch die Markierung -rotes Band- und somit waren auch unsere letzten Zweifel ausgeräumt. Wir folgten einem Pfad immer den Kamm entlang nach rechts. Traumhaft! Und wieder begleitet von frischen Bärenspuren.

Der schmale Pfad stösst genau auf jene Forststrasse, die hier über einen Pass (Saua Tisitei / 1319 m) noch ca. 3-4 km nach links zur Forststation Rádácini absteigt und dort nach wenigen Metern abrupt endet. Wir machten hier erst einmal eine Pause. Die Markierung -rotes Band- führte auf dem Kammverlauf weiter und wir überlegten kurz, ob wir die Tisita Aurie-Schlucht umgehen und lieber noch bis "La Uluce" wandern. Aber eigentlich sehnten wir uns nach einem kalkulierbaren Tagesziel und überhaupt, die Schlucht lockte uns schon. Also Abstieg.

Nach etwa 30 Minuten hatten wir die Forststation erreicht. Auf dem Weg hinunter fanden sich noch keinerlei Fuss- oder Wagenspuren. Hierher ist in diesem Jahr somit noch kein Mensch gekommen. Das alte Forsthaus in Blockbauweise war vollends verwaist. Die Fenster teils kaputt und auch der Fussboden im Innern herausgerissen. ABER da stand ja noch ein alter aufgebockter Bauwagen. Nach dem Öffnen der Tür lachte mich sofort der Kanonenofen an und das war´s dann auch. Mario kam etwas später und auch für ihn stand fest: Der Bauwagen wird unser Domizil!

Auf den Pritschen lagen reichlich Mäuseknödel. Wir schüttelten die alten Decken draussen aus und richteten uns ein. Reichlich trockenes Brennholz lag schon neben unserem Öfchen. Beim Anfeuern räucherten wir aber zunächst das gesamte Inventar :-)) ! Aber allmählich zog mit zunehmender Hitze der Rauch dann auch über das Eisenrohr nach oben ab. Wir lüfteten die Räucherkammer und gingen indes zum nahen Bach um Wasser zu holen.

Eine geplagte Wanderseele verlangt zum Abend einen kulinarischen Ausgleich. Diesem Gesetz leisteten wir strikt Folge und wir machten uns an eine deftige Gebirgssuppe, die sich gut und gerne unter der Rubrik "Multikulti" einordnen liesse. Das Endresultat benannten wir nach den entsprechenden Zutaten:

"Zwiebel-Knoblauch-PastaBrokkoliMozzarella-NudelninKäsesauceundRindfleischklößchensuppe"

Nach dem Essen waren wir - trotz aller Fussprobleme - dann aber doch in unserer Neugier auf die Schlucht "Tisita Aurie" zu gespannt und gingen mit leichtem Schuhwerk hinunter. Die Forststrasse endete nach ca. 300 Meter. Wir stiegen hinab zum Bach und liefen ein Stück abwärts. Kein Weg, wie es schon laut Karte zu vermuten war. Ein wildes Tal mit umgestürzten Bäumen UND - was darf natürlich nicht fehlen - BÄRENSPUREN! Ich war für den morgigen Tag im Innern doch etwas gebannt, weil mir noch die Erinnerungen letzten Jahres von dem Marsch mit meinem Freund Frank durch die Cheile Gîrliste im Anina-Gebirge in den Knochen lag. Das grosse Gepäck und die Unwegbarkeiten bedeuten sehr lange Wegzeiten. Mario sah das gelassener und so einigten wir uns endgültig auf diesen morgigen Streckenverlauf.

Als wir zur Nacht so in unseren Kojen lagen haben wir nochmals über dieses ausgefallene Domizil philosophiert. Einen Namen hatten wir unserer Behausung ja bereits kurz nach dem Einzug gegeben: CABANA JOSEF. Schliesslich kamen wir auf die vielen Anglizismen zu sprechen, die so sehr unsere moderne Welt des Wanderns beherrschen. Wir werteten in scherzhafter Weise unsere Übernachtung hier damit auf, indem wir unser Tun als "INDOOR" bezeichneten :-) ! Wäre ja gelacht, wenn wir alten Schurken nicht auch ein wenig "trendi" mit der Zeit gehen könnten :-))! Sicher wird es nun nur noch eine Frage von Monaten sein, bis Massen an jungen Indoor-Freaks, Rumänien als das Indoor-Land der Welt für sich entdeckt haben! :-)))

 

11.04.2001 (Mittwoch)

Wir sind heute sehr zeitig aufgestanden. Gegen 8:30 Uhr war dann gepackt und Abmarsch. Wenig später waren wir in der unzugänglichen Schlucht der Tisita Aurie. Es ging sehr schleppend voran. Alle 100 Meter mal nach links und mal nach rechts über den Bach. Man musste schon ein Adlerauge haben, um eine uralte Markierung -roter Punkt- zu finden. Mal war sie unten an einem Baum, direkt am Bach und mal führte sie 20 Meter höher an steilen bewachsenen Waldhängen entlang, um sich dann wieder ins Nichts zu verlieren. Zu alt waren wohl diese Pfade und zu verwachsen, als dass man danach effektiv suchen sollte. Am schnellsten geht´s direkt am Bach entlang. Gelegentlich war an Talengen, die von steilen Fels eingeschlossen waren, ein Umgehen über steile Waldhänge erforderlich. Anfangs brauchten wir für einen Kilometer etwa eine Stunde. Klar, unser grosses Gepäck war dabei natürlich ebenfalls sehr hinderlich.

Bereits nach dem ersten Kilometer überlegten wir, ob nicht doch ein Rückmarsch die bessere Alternative wäre. Aber es blieb bei dieser Überlegung. Sich die Strecke anzutun, die man gerade hinter sich hatte, war eben auch nicht sonderlich motivierend. Dennoch, neben den grossen Anstrengungen entschädigte natürlich die Wildheit und Schönheit dieser Landschaft.

Nach ca. 3 Stunden des Weg´s, ich war dem Mario etwas voraus, und wollte eben mal wieder den Bach furten, da kam mir ein ungewöhnlicher Gestank entgegen. Ich furtete und stiess direkt auf einen Bärenlagerplatz. Ein prachtvolles Ensemble von Kratzbäumen und davor das stinkende Zeugnis eines gerissenen Wildschweins. Ich konnte die schwarzen Fellreste erst gar nicht identifizieren. Erst als ich das Fell wendete, sah ich die Schweineschnauze. Der Schädel lag herausgerissen wenige Meter daneben, nahe am Bach. Hinter dem Fressplatz mit den Kratzbäumen, der Bärenschlafplatz, eine grosse Kuhle unterhalb von einem dicken umgestürzten Baum. Ei, das war foarte imposant!!!

Mario war noch immer nicht da und ich stiess mal wieder einen unserer Erkennungsrufe aus. Damit der jeweils andere noch weiss, dass noch Leben in einem steckt :-))) ! Dann kam Mario und staunte ebenfalls nicht schlecht über den Bärenplatz. Da machte ich mir einen Spass und rief hektisch "pass auf!" und duckte mich. Mario schreckte kurz zusammen um wenig später meinen "Scherz" erkennend anzumerken, dass ja hier bei unserem Lärm kein Bär sein würde. NIEMALS!

Wir waren kaum einen Kilometer weiter, da weitete sich oberhalb vom Bach ein grasbewachsener Weg. Es war eine ehemalige Waldbahntrasse und wir staunten nicht schlecht. Die Abdrücke der Schwellen waren noch gut sichtbar. Später erst erfuhren wir, dass diese Waldbahnstrecke 1912 von Italienern erbaut wurde. Ende des Jahres 1939 oder zu Beginn des Jahres 1940 wurde der Bahnbetrieb, welcher ausschliesslich dem Holztransport diente, wieder eingestellt.

An einer Stelle weitete sich der Weg zu einer Lichtung und da war er dann endlich: MEISTER PETZ - Urs - der Bär! In 70 Metern Entfernung schlenderte er urgemütlich vor uns über die Wiese davon, marschierte über den Bach und verschwand im dichten Wald der Schlucht. Mario zückte seine schlimmste Abwehrwaffe, die er gegen Bären zur Verfügung hatte: er zog seine Schuhe aus! :-))) !

Wir machten eine kleine Pause, um Meister Petz genügend Zeit für einen friedlichen Rückzug zu lassen. Das mit den Schuhen hatte natürlich auch eine andere Bewandtnis, wohl wegen der geplagten Füsse. In der Tat hatte der Weg bis hierher mächtig an den Kräften geschlaucht, nichts ahnend, was uns noch erwarten würde.

Der Weg wurde zunächst nicht weniger leicht. An Seitentälern war der Streckenverlauf teils von Hochwasserläufen komplett weggerissen. Umgehungspfade führten steil durch Wald und Fels. Gegen 13 Uhr kamen wir dann an der von Walter Kargel beschriebenen Sennhütte an. Hier treffen wir mit jener Wandertrasse zusammen, die hinauf nach DL ZMEURIS führt. Fortan befanden wir uns nun auf der Wandermarkierung -rotes Dreieck-. Wir machten eine Pause an diesem einzigartig schönen Flecken Erde. Weniger beruhigend war dann aber der Fakt, dass wir uns an Walter Kargels Zeitvorgaben erinnerten, die für den Marsch von Lepsa bis hier herauf 7 Stunden betrugen.

Auf den Grasflächen waren weit und breit die Spuren von Meister Petz zu sehen. Überall waren die Grasnarben von Bärenpranken aufgerissen und umgewälzt worden. Ein unheimlicher Anblick. Und schliesslich sahen wir auch noch einen dieser peltzmützengrossen Kothaufen. Frisch schien er noch dazu.

Wir befanden uns nun in der Schlucht der Tisita Mare. An einer Stelle verengt sie sich erneut und wird sehr felsig. Hier muss man weit hinaufsteigen, um diese unwegsame Stelle zu umgehen. Nix ist also mit einem schnellen Abmarsch. Von dem oberen Punkt hat man einen traumhaften Blick nach beiden Seiten. Besonders diese helle Felsenpyramide talwärts, ist äusserst beeindruckend.

Nun steigt der Pfad in halsbrecherischer Weise wieder abrupt hinunter ins Tal. Eine Marter für unsere geplagten Füsse. Dennoch, das Tal wurde steiler und felsiger. Dann nach einer erneuten Furt, der alte verlassene Tunnel der ehemaligen Waldbahnstrecke. Hier führt die Wandertrassse hindurch in die Tisita Micá Schlucht. Dort angekommen kann man in zwei Richtungen wandern. Links hinauf nach Gresu und nach rechts hinunter gelangt man wieder in die Tisita Mare Schlucht und dann weiter nach Lepsa. Das war unser Ziel. Hier hinter dem Tunnel waren wir endlich auf einer Forststrasse, die noch durch mehrere kurze Felsentunnel führte. Eine unglaubliche Landschaft! Dann weitete sich das Tal etwas. An einer Waldhütte machten wir Rast. Eine Rumänin und ein Franzose pausierten dort ebenfalls. Wie viel Kilometer es denn noch bis Lepsa wären, wollten wir wissen. Etwa 7 Kilometer. Oh du heilige Backe! Egal, wir hatten ja ein Ziel und dass hiess für den heutigen Abend "Bere Ursus"!

Der Abmarsch durch die noch steiler aufragende Schlucht schien nicht enden zu wollen. Aber es gibt immer ein Ende. Irgendwann hatten wir es erreicht, das Eingangsportal der Reservation in Lepsa. Der malerisch gelegene Ort verblüffte uns dann vollkommen. Riesige Villen, die grossen Cabanen ähnelten, standen in dem Tal. Aber es waren alles Wochenendhäuser neureicher Rumänen. Die Häuser dominierten in kräftig bunten Farben, was nicht nachteilhaft schien.

Wir fragten uns durch nach der Cabana Putna. Das wären noch ca. 2 km hinter dem Ort. Die schafften wir nun auch noch, denn breiter können Füsse nicht mehr werden. Vor der alten Cabana Putna war eine grosse Wiese. Einige Jugendliche hatten hier gezeltet. An der Cabana legten wir unsere Rucksäcke ab und brauchten keine Wünschelrute, um ein kühles Bierchen zu ergattern. Ein Rumäne, der in der Cabana arbeitete, sprach sehr gut Deutsch. Ein Bier wäre kein Problem, aber die Cabana selbst hätte noch geschlossen, wegen dem grossen Frühjahrsputz. Aber wir sollten mal schauen, hier die Betonstrasse runter, direkt zur Cascada Putnei, da ist eine ganz neue private Cabana. Ich lief hinunter und war nicht wenig erstaunt. Drei Holzhauskomplexe schauten wirklich einladend drein.

Ein netter junger Herr kam heraus und ich erkundigte mich nach einer Unterkunft. Kein Problem wäre das und auf meine Anfrage hin nach einem deftigen Abendbrot, wurde ebenfalls positiv geantwortet. Wenig später hatten Mario und ich Quartier bezogen in der ersten Etage des Wohnkomplexes. Zweibettzimmer mit WC. Was gab es jetzt zu tun? Klarer Fall - zu dem Hobby eines richtigen Wanderers, geht immer einher die Berufung eines Sanitäters. Wir legten unsere Füsse frei! Bis auf kleinere Wasserblasen waren meine Füsse nur von inneren Schmerzen geplagt. Aber der arme Mario bot wahrlich optisch Besseres! Wir lachten uns regelrecht hungrig dabei und dann war´s auch wirklich an der Zeit, hinüber zur Gaststätte zu gehen. Mit leichtem Schuhwerk, versteht sich!

Wir wurden sehr zuvorkommend bedient. Obwohl hier die Saison noch nicht begonnen hat, bekamen wir mächtig was aufgetischt. Eine tolle Ciorba, anschliessend Bratkartoffeln mit Forelle und dann noch Mámáliga mit Brinse. Was waren wir nur für Helden, all diese irdischen Belastungen an einem Tage zu tragen.

Der Chef der Cabana, ein noch jüngerer Herr Anfang der Vierziger sass an unserem Nachbartisch und war mit der Buchhaltung beschäftigt. Zu gegebener Stunde baten wir ihn noch zu uns an den Tisch wegen einiger Informationen. Das Wichtigste dabei: wie kommen wir am nächsten Tag nach Brasov. Gegen 11 Uhr fährt mitten im alten Ort ein Bus direkt nach Brasov. Das war super! Wir erkundigten uns auch ein wenig über das Umland hier. Der Cabanier erzählte uns, dass früher das Tal, in dem wir bei Lepsa hineinkamen, vollkommen unbebaut war. Erst mit den neuen Reichen kam hier nach den Jahren der Revolution der Bauboom über den Ort Lepsa herein. Es gäbe hier auch noch ein schönes Kloster und auch ein ehemaliger Land- und Jagdsitz von Ceausescu sei hinter Lepsa zu besichtigen. Heute gehört dieser Landsitz der rumänischen Forstbehörde. Der Cabanier bot uns an, morgen rechtzeitig und mit dem Auto dorthin zu fahren. Das war toll, wir sagten natürlich zu. Schliesslich erkundigten wir uns auch über Infos betreffs dieser wunderschönen Cabana:

COMPLEX TURISTIC "CASCADA PUTNEI"

Sat Lepsa / Comuna Tulnici / Judet Vrancea

Telefon: 0040 37 266974 (von Deutschland aus)

Die Cabana, 1991 erbaut, liegt nur wenige Meter oberhalb des Wasserfalls Cascada Putnei in einem malerisch bewaldeten Tal. Der Komplex besteht aus drei Häusern in Holzbauweise. Bettenhaus, Restaurant und ein Mischgebäude, mit Terrasse und Magazin Mixt.

Das Bettenhaus verfügt über 12 Zimmer mit jeweils zwei bis drei Betten und WC. Die Cabana ist ganzjährig geöffnet! Das Essen im Restaurant ist ausgezeichnet!

Preis pro Zimmer: etwa 300.000 Lei

 

12.04.2001 (Donnerstag)

Wir sind gegen 8 Uhr auf und gleich rüber ins Restaurant. Ein auserlesenes deftiges Frühstück in aller Ruhe und gegen 9:30 Uhr rief unser Cabanier zur Eile. Also die Rucksäcke rein in den Dacia und los ging es. Zuerst sind wir runter in den Ort. Dort im Zentrum dann den Abzweig nach rechts. Hier hatte sich das alte Dorf Lepsa seinen Charakter bewahrt. Urbäuerlich sozusagen. Wir fuhren zunächst an Mánástirea Lepsa vorbei, um den ehemaligen Landsitz Ceausescus zu besuchen. Es geht nach rechts in den Wald hinein. Dann, einige wenige alte Häuser und schliesslich eine grosse Wiese mitten im Wald, die einst als Hubschrauberlandeplatz diente. Das schöne Landhaus dahinter fügte sich gut in die Landschaft ein.

Auf dem Rückweg machten wir dann Halt beim Kloster Mánástirea Lepsa. Das uralte Hauptgebäude mit dem hölzernen Turmaufbau übt, trotz seiner schlichten Bauart einen grossen Reiz auf den Besucher aus. Auf dem Klostergelände dahinter befindet sich die Klosterkirche und ein Wohnhaus für die Nonnen. Es war wirklich die Schlichtheit und die ländliche Lage des Klosters, was uns so berührt hat.

Mittlerweile war es gegen 10:45 Uhr. Wir kauften uns im Magazin Mixt am Kreuzungsbereich noch Bere Ursus und etwas zu knabbern für die Busreise. Pünktlich war der Bus dann auch zur Stelle. Wir konnten uns in dem sonst schon recht vollen Bus einen Platz auf der letzten Bank ergattern. Bei schönstem Sonnenschein hiess es dann Abschied nehmen von Lepsa.

In Gresu machten wir eine längere Pause. Die meisten Leute gingen zunächst ins nahe gelegene Magazin Mixt. Auch der Busfahrer, der natürlich hinter der Theke, sozusagen im Geschäftsbereich einen Ehrenplatz bekam. Ich nutzte die verbleibende Standzeit noch für eine kurze Visite in der nahe gelegenen wohl neu erbauten Holzkirche des Ortes. Gresu selbst ist ein Ort, der in seiner Urtümlichkeit nur wenig Veränderungen erfahren hat. Hier kann man noch so richtig träumen und die Beine baumeln lassen.

Hinter Lepsa war die Strasse dann unbefestigt. Es staubte kräftig. Fahrzeuge verkehrten hier nur ganz wenige. Wir staunten schon darüber, dass hier täglich diese Buslinie verkehrt. Oben auf dem Pass, nahe dem 1503 m hohen Musat-Gipfel, machte der Busfahrer erneut eine 15-Minutenpause. Dann die Abfahrt durch ewige Wälder hinunter nach Târgu Secuiesc. Mir fiel auf, dass man hier auf dieser Seite des Vrancea abrupt vom Bergland in die tiefe Ebene gelangt. Hier gibt es nicht diese schönen verschachtelten Landschaften der Vorkarpaten östlich des Vrancea. Dafür ging es fortan aber zügig mit unserem Bus voran. Kurz nach 16 Uhr erreichten wir pünktlich Brasov.

Ein grosses Abenteuer hatte sein Ende gefunden und ein neues folgte sogleich im Anschluss. Denn am kommenden Tag sollte es ja weiter in die Maramures gehen. Oh, Ostern in der Maramures, davon träumte ich schon lange. Aber das ist schon wieder eine gaaaaaanz aaaandere Geschichte! :-))) !

  Bilder zur Story: "Von einem Bären zum andern" / Eine Tour durch´s Vrancea-Bebirge (1,16 MB)
  Karte: Judetul Buzáu - Vulcanii Noroiosi - Platoulul Meledic (334 KB)
  Karte: Judetul Vrancea / - Muntii Vrancei - Tisita-Schluchten - Cascada Putnei (359 KB)

Wilhelm Scherz ... Karpatenwilli@t-online.de


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